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Zur Vor- und Frühgeschichte von Mühlheim am Mainvon Dr. Hartmut Gries und Richard Plackinger
Noch zu Beginn der 1950er Jahre galt das Gebiet um Mühlheim in archäologischer Hinsicht als „fundarme Steppe“. Genauer: bis dahin gab es vereinzelte Funde, die oft nicht gemeldet wurden und in unbekannte Privathände kamen. Die wenigen bekannt gewordenen Stücke gelangten in auswärtige Museen und gingen dort zum Teil auch wieder verloren.
Erst der Beginn großflächiger Nachkriegsbebauung und der Einsatz ehrenamtlicher Vertrauensleute unter dem Kreisbodendenkmalpfleger Klaus Ulrich, aus denen sich 1970 die „Vor- und frühgeschichtliche Arbeitsgruppe“ um Günter Meyer bildete, beendeten diesen Dornröschenschlaf. Seit dieser Zeit weiß man, dass unsere Region in vorgeschichtlicher Zeit zu den am dichtesten besiedelten Landschaften Deutschlands zählte. Die langjährige Arbeit der Gruppe wurde 1986 mit den Kulturpreisen der Stadt Mühlheim und des Kreises Offenbach sowie 1993 mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis des Ministeriums für Wissenschaft und Kunst gewürdigt. Ihre beeindruckenden Entdeckungen, oft von überregionaler Bedeutung, sind im 1985 eröffneten Stadtmuseum ausgestellt.
Die dokumentierte Zeitspanne reicht von Neandertalern der mittleren Altsteinzeit und späteiszeitlichen Jägern, über Siedler der Jungsteinzeit, der Bronze- und Eisenzeit bis zu frühmittelalterlichen Bauern.
Grund dieser auffälligen Funddichte scheint eine Kombination spezieller Naturfaktoren im Gebiet der heutigen Stadtgemarkung gewesen zu sein. Hauptgestalter der Landschaft war der Main, der im Zusammenspiel mit mehreren Eiszeiten eine weiträumige Terrassenlandschaft entstehen ließ. Schon lange davor flossen im Tertiär vor etwa 15 Millionen Jahren gewaltige Lavaströme vom Vogelsbergvulkan nach Süden, deren Reste heute u. a. den Gailenberg mit rund 130 m über NN bilden. Dieses „Landschaftsangebot“ wurde zu verschiedenen Zeiten von unterschiedlichen Menschengruppen genutzt:
Die klimatisch bevorzugte Lage des Maintals und seine längeren Vegetationszeiten lockten zunächst Jagdwild und Jäger an, später auch vor- und frühgeschichtliche Ackerbauern.
Der Main lieferte mit dem Steinmaterial seiner Flussterassen bis in die Metallzeiten hinein den Rohstoff für zahlreiche Werkzeuge. Die im Basalt entstandenen Chalcedone aus Siliciumdioxid waren vor allem wegen ihrer messerscharfen Abschlagkanten gesucht.
Bei Kesselstadt staute eine natürliche Basalt-Barriere den Fluss, der weiter abwärts eine Flachwasserzone mit Inseln bildete und hier nicht nur leicht zu überqueren war, sondern auch gute Möglichkeiten zum Fischen bot. In diesem Bereich konzentrieren sich vorgeschichtliche Funde in auffälliger Weise.
Vor etwa 20.000 Jahren überwehte Flugsand die gesamte Region. Auf dem Basaltplateau südöstlich von Dietesheim bildeten sich meterhohe Dünenzüge. Dort legten später vorgeschichtliche Bevölkerungsgruppen ihre Gräber an, die sich unter Wald erhalten konnten.
Die Skizze aus dem Jahr 1561, angelegt wegen eines Fischereistreits, zeigt einen noch weitergehend natürlichen Mainlauf. Links unten Dietesheim.
In der Flachwasserzone unterhalb der Basaltschwelle bei Kesselstadt sind mehrere Reusenanlagen zum Fischfang eingerichtet. Die vorgeschichtliche Bevölkerung dürfte die Möglichkeiten zum Fischen und zur Flussüberquerung gekannt haben, denn fast alle im Stadtgebiet nachgewiesenen Kulturepochen sind hier mit Funden vertreten:
1. Spätpaläolithischer Lagerplatz mit Behausung, Feuerstelle und Lampe
2. Spätpaläolithische Werkzeuge und Abschläge
3. Siedlungen der neolithischen Bandkeramiker
4. Grab eines Mannes der Hügelgräberbronzezeit mit 3 Angelhaken und Steinmesser
5. Siedlung der Urnenfelderkultur
6. Siedlungskeramik der Hallstattzeit
7. Grube mit Siedlungskeramik und großem Reibstein (Napoleonshut) der Latènezeit
Von Dr.Hartmut Gries und Richard Plackinger
Fortsetzung zur Vor- und Frühgeschichte
In Ausgabe 1.200 Jahre Mühlheim am Main
ISBN-Nr. 3-930 367-34-4
(Verkauf Geschichtsverein Mühlheim am Main e.V)Geschichtliches der Stadt Mühlheim am Main